Im Beruf fällt es vielen Menschen schwer, sich auf das Thema Selbsterkenntnis einzulassen und mit Veränderungen umzugehen. In der Schweiz herrscht – was die beruflichen Möglichkeiten betrifft – eine grosse Autonomie. Natürlich gibt es auch hier Ausnahmen und Elemente, welche die Autonomie fördern bzw. einschränken oder verhindern. In diesem Essay werden explizit Mitarbeitende angesprochen, welche die Fähigkeiten und die Möglichkeiten besitzen, ihre Arbeit frei zu wählen oder mitzugestalten. Viele sind sich ihrer Perspektiven nicht bewusst und/oder wissen ihr Potential nicht auszuschöpfen. In der heutigen Zeit ist von agilen Unternehmen die Rede, denn schnelle Marktveränderungen zwingen Firmen, sich schnell anzupassen. Der Wille von einem Unternehmen, schnelle Veränderungen umzusetzen, reicht allein nicht aus. Der entscheidende Erfolgsfaktor ist und bleibt der Mensch bzw. Mitarbeitende, welche die Fähigkeiten und die Möglichkeiten besitzen, Verantwortung für ihr Handeln oder eben ihr Nicht-Handeln zu übernehmen.

„Sich selbst zu erkennen, ist auch eine Form, über sich selbst zu bestimmen. Selbsterkenntnis ist eng verwoben mit Selbstbestimmung.“

(vgl. Bieri, Wie wollen wir leben?, 8. Auflage 2018: 42)
Das heisst konkret für die Mitarbeitenden: Ist Veränderung erkennbar, wenn die

Situation reflektiert wird? Was ist der Beitrag zum Ergebnis, im Jetzt und in der Zukunft? Kann das Neue bejaht werden oder nicht? Was für Alternativen sind vorhanden? Was sind die Wünsche und Vorstellungen?
Wenn die Unternehmensziele und die Interessen des Mitarbeitenden diametral auseinander liegen, liegt es auch am Mitarbeitenden, selbst Verantwortung zu übernehmen und zu prüfen, ob er weiterhin im Unternehmen bleiben will oder ob er sich auf den Weg macht und das Unternehmen verlässt.

Aus dieser Sicht ist Selbsterkenntnis wertvoll. Sie wird gebraucht, wenn das Leben und die Empfindungen nicht mehr zusammenpassen. Es hilft, genau hinzuschauen, zu verstehen, so können Krisen überwunden werden und das Leben kann weiter gehen.

(vgl. Bieri, Wie wollen wir leben?, 8. Auflage 2018: 55)

Die Arbeitgeber sind demzufolge auf Mitarbeitende angewiesen, die eine gute Selbsterkenntnis haben. Solche Mitarbeitenden werden vom Betrieb initialisierte

Veränderungen mit sich prüfen und – entweder mitmachen – oder sich neu orientieren. Mitarbeitende welche innerlich gekündigt haben oder nur Dienst nach Vorschrift verrichten, kostet die Volkswirtschaft Unsummen Geld. In einer Gallup Studie belegt Gerald Wood erschreckende Zahlen über die Arbeitsmoral. So engagieren sich 9% aller Angestellten im Job überhaupt nicht. Die innere Kündigung ist vollzogen und es wird gegen die Interessen der Firma gearbeitet. 69% erledigen einen mittelmässigen Einsatz. Lediglich 22% sind mit einem überdurchschnittlichen Einsatz bei der Arbeit. Nur weil der Einsatzwille fehlt, entgeht der Schweizer Volkswirtschaft 50 Mrd. Fr. pro Jahr. (vgl. Glogner, 2005). Natürlich können die Arbeitgeber nicht aus der Verantwortung entlassen werden. Nach wie vor sind auch die Firmen angehalten, die Situationen genau zu analysieren und sich zu hinterfragen, was es braucht, damit die Angestellten ihre vollen Ressourcen in die Unternehmen einbringen. Auf der anderen Seite sind die Mitarbeitenden angehalten, Selbsterkenntnis über sich zu gewinnen und entsprechend Selbstverantwortung für sich und das Nicht-Handeln zu übernehmen. Sich nicht in Argumente zu retten und Gründe zu (er)finden, damit etwas nicht umsetzbar ist und in Positionen zu verharren, um sich nicht bewegen zu müssen. Für die Zukunft müssen sich die Arbeitnehmenden darauf einstellen, ihren Arbeitsplatz zu sichern und auf der anderen Seite durch lebenslanges Lernen für das Unternehmen und den Arbeitsmarkt attraktiv zu bleiben. Viele Angestellten sind sich nicht bewusst, dass sie zwar einen unbefristeten Vertrag besitzen, dieser aber gegenseitig unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen kündbar ist und nicht eine lebenslange Beschäftigung bedeutet. Gerne wird die Selbstverantwortung an die Firmen abgegeben und erwartet, dass Alternativen und Lösungen gesucht werden. Es kann davon ausgegangen werden, dass sich mit der Veränderung der Marktstrukturen auch das Verhältnis Arbeitgeber zu Arbeitnehmer zunehmend wandelt. So wird die vertragliche Bindung nicht mehr auf Langfristigkeit und Dauerhaftigkeit ausgelegt, sondern eher kurzfristig und dynamisch ausfallen. Das kann auch zur Folge haben, dass keine grosse Bindung zu einem Unternehmen entsteht, sondern eher zum Beruf oder der Tätigkeit.

Wer im beruflichen Kontext Selbsterkenntnis erlangt, wird eher in der Lage sein, selbstbestimmt zu handeln und entsprechend auf Veränderungen reagieren zu können, um im Beruf oder der Tätigkeit glücklicher und zufriedener zu werden.

Literatur und Quellenverzeichnis

vgl. Bieri, P. (8. Auflage 2018: 42). Wie wollen wir leben? (dtv, Hrsg.) München: dtv. vgl. Bieri, P. (8. Auflage 2018: 55). Wie wollen wir leben? München: dtv.
vgl. Glogner, A. (06. Juli 2005). Handelszeitung. Abgerufen am Dezember 2019 von

https://www.handelszeitung.ch/unternehmen/motivations-studie-nur- jeder-fuenfte-setzt-sich-ein

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2 Comments

  1. Ruth Behr-Ackermann 27. Oktober 2022 at 15:30 - Reply

    Ganz toll hört sich das an! Herzlichen Glückwunsch! Ich hätte diese „helping hand“ vor 30 Jahren gut brauchen können. Dann wäre vieles einfacher geworden.
    Zum Glück kommt euer Angebot nun vielen jungen und „mittelalterlichen“ Menschen zugute…

    • Roland und Bettina Fuhrer 28. Oktober 2022 at 9:11 - Reply

      Liebe Ruth
      Vielen Dank für deinen wertschätzenden Kommentar.
      Herzliche Grüsse
      Bettina & Roland

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